15.06.2020

Ausstellung in Lahr eröffnet

Zu Gast bei den Lahrer Wimpernfledermäusen

Wussten Sie, dass auf dem Lahrer Bergfriedhof die Wimpernfledermaus eine ihrer landesweit größten Wochenstuben mit etwa 600 Tieren hat?
Kaum jemand bekommt die flinken Jäger richtig zu Gesicht. Zu Unrecht sind die kleinen fliegenden Säugetiere in der Geschichte negativ besetzt und bilden die dämonische Grundlage für unsere Vampir-Fantasien. Dabei sind Sie ein wichtiger Teil unseres Naturhaushaltes und ob Ihrer Sinnesfähigkeiten auch eine wissenschaftliche Besonderheit.
Der Freundeskreis Lahrer Stadtpark freut sich den Besuchern des Lahrer Stadtparks diese Abendjäger des Parks und ihre Kollegen näher bringen zu können.
In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz e.V. und dem dem Landschaftserhaltungsverband Ortenaukreis e.V. ist in der Villa Jamm im Lahrer Stadtpark eine Ausstellung entstanden, welche die Bedeutung dieser kleinen Flugsäuger in unserem Naturhaushalt und deren Lebensweise beleuchtet.
Mit wechselnden Ausstellungen zu parkaffinen Themen (Natur, Botanik, Gartenkunst, Florsitik etc.) möchte der Freundeskreis Lahrer Stadtpark die Villa Jamm auch nach dem Auszug des Museum bespielen und den Parkbesuchern damit ein ergänzendes Angebot machen.
Die Ausstellung ist ab Donnerstag 18.06.2020 jeweils Donnerstag bis Sonntag von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet.
Coronabedingt wird auf eine förmliche Eröffnung mit geladenen Gästen verzichtet.
Weitergehende Informationen:

Biodiversität

Manche mag es überraschen, dass es bei uns überhaupt Fledermäuse gibt, andere fasziniert die tatsächliche Vielfalt der in Südbaden lebenden. Mehr als 20 Fledermausarten sind es und darunter solche, die kaum anderswo sonst in Deutschland zu finden sind. Einerseits sagen die eher rauen klimatischen Bedingungen des Schwarzwalds z.B.  Nord- und Zweifarbfledermäusen zu, andererseits ermöglichen die Gunstlagen der Rheineben Funde eher mediterranen Arten wie der Weißrandfledermaus und der Langflügelfledermaus. Eine echte Besonderheit ist das Vorkommen der Wimperfledermaus, deren Hauptvorkommen innerhalb der Bundesrepublik in Südbaden liegt. Und die größte deutsche Kolonie dieser Art bewohnt seit vielen Jahren den Dachboden der Kapelle auf dem Lahrer Bergfriedhof. Obwohl dieses zoologische Kleinod nahe der Nordgrenze ihrer Verbreitung liegt, ist die Kolonie durchaus stattlich: 800 Wimperfledermaus-Weibchen kommen jedes Jahr in Lahr zusammen, um in der Zeit von April bis August ihre Jungen aufzuziehen.

Energiesparer

Pro Fledermausmutter ist es jährlich nur ein einziges Jungtier, das sich so rasant entwickelt, dass es bereits acht Wochen nach der Geburt ausgewachsen ist. Erst dann fliegt die junge Fledermaus wie seine Mutter nachts auf die Jagd nach Insekten und Spinnen. Bis dahin ist ihre gesamte Entwicklung allein von nahrhafter Muttermilch abhängig. Das ist letztlich der Hauptgrund, warum sich die vielen Fledermäuse am Bergfriedhof sammeln. Denn ohne dass sie tagsüber zusammenrücken und sich gegenseitig wärmen, wäre der energetische Aufwand für einzelne Fledermausmütter kaum zu bewältigen. Überhaupt sind Fledermäuse meisterhafte Energiesparer. Das zeigt sich besonders in den Wintermonaten. Diese verbringen sie mit extrem verlangsamtem Stoffwechsel und abgesenkter Körpertemperatur in tiefer Lethargie in feuchten Kellern, Höhlen und alten Bergwerken. Ein paar Gramm Speicherfett, das sie sich im Herbst angefuttert haben, rettet sie über die Monate ohne verfügbare Insekten. Allerdings halten viele Fledermäuse ihren tiefen Winterschlaf nur, wenn es das Wetter erfordert und jagen eben doch erfolgreich auch in lauen Winternächten. So kommt es, dass einige sogar zum Ende des Winters schwerer sind, als zum Beginn! Genauso haushalten vor allem die Männchen auch im Sommer: an kühlen Tagen lassen sie sich im Quartier auskühlen und drosseln so ihren Stoffwechsel extrem. Freilich können sich das die trächtigen und säugenden Weibchen nicht erlauben, denn das ginge zulasten der Jungtierentwicklung. Soziale Thermoregulation in großen Gruppen ist ihre Form des Haushaltens mit knappen Energiereserven.

Weidetier-Liebhaber

Fledermauskolonien wie die am Lahrer Bergfriedhof können nur da entstehen, wo das Umland genug Futter bereitstellt. Der Aktionsradius der Wimperfledermaus-Kolonie ist ähnlich wie der der meisten Fledermäuse durchaus einige Kilometer weit. Darin hat jede Fledermaus ihre individuellen Jagdreviere, die sie jede Nacht aufsucht. Das begrenzt letztlich die Individuen-Zahl, die in einem Gebiet leben kann. Zumal die soziale Thermoregulation der Weibchen aber nur in großen Gruppen funktioniert, kann es ein Fortpflanzungsquartier auch nur da geben, wo genügend ergiebige Jagdreviere im Umfeld erreichbar sind. Häufig liegen solche Reviere im Wald, aber auch Waldränder, pestizidfreie Obstwiesen und Gärten können für Fledermäuse attraktiv sein. Die Wimperfledermaus hat darüber hinaus offenbar eine besondere Vorliebe für Rinder. Sie nutzt das Angebot an Fliegen, die durch Weidetiere angelockt werden. Und das nicht nur auf der Weide. Wimperfledermäuse fliegen regelmäßig in Kuhställe ein, um schlafende Fliegen von der Unterlage abzupflücken. 

Hufeisennasen

Wahrscheinlich haben vor einigen Jahrzenten auf dem Dachboden am Bergfriedhof auch Hufeisennasen gelebt, denn sie haben ähnliche Ansprüche und leben daher sehr regelmäßig im selben Quartier wie Wimperfledermäuse. Allerdings sind diese Fledermäuse in der Mitte des letzten Jahrhunderts in Baden genauso wie fast überall sonst in Deutschland praktisch komplett ausgestorben. Dabei war die Kleine Hufeisennase bis dahin eine der häufigsten Arten Süddeutschlands. Ihr rascher und dramatischer Zusammenbruch war Folge des Einsatzes der Pestizide DDT und Lindan in Land- und Forstwirtschaft sowie in Form von Holzschutzmitteln auf Dachböden. Auch fast alle übrigen Fledermausarten litten stark darunter, Hufeisennasen traf es aber am härtesten. Nach dem Verbot dieser Substanzen im Jahr 1973 dauerte es lange, bis sie allmählich aus den Nahrungsnetzten wieder verschwanden. Weil nun seit einigen Jahren die noch vorhandenen Restvorkommen z.B. im Elsass wieder anwachsen, gibt es aber durchaus Grund zur Hoffnung, dass Hufeisennasen den Weg zurück nach Lahr finden und vielleicht bald wieder eine WG mit den Wimperfledermäusen bilden.

Sinne

Die Köpfe der verschiedenen Fledermausarten unterscheiden sich beträchtlich. Während manche an Gesichter anderer Tiere erinnern – zum Beispiel an Mäuse, darum auch der Name dieser Gruppe –, haben andere besondere Strukturen entwickelt. Viele Arten haben Nasenblätter oder andere Gesichtsstrukturen, die zum Aussenden oder Verstärken der Ultraschalllaute dienen. Die Ohren, die bei manchen Arten drastisch vergrößert sind, sind oft mit Rillen oder Furchen versehen, darüber hinaus haben sie einen Tragus, einen Ohrdeckel, der der Verbesserung der Echoortung dient. Fledermäuse können schwarz-weiß sehen, und wie aufgrund jüngster Untersuchungen festgestellt wurde, können einige Arten auch UV-Licht sehen, das von einigen Blüten verstärkt reflektiert wird, die sie dann zur Nektaraufnahme anfliegen. Zusätzlich verfügen Fledermäuse über einen Magnetsinn. Bei Langstreckenflügen orientieren sie sich an den Linien des Erdmagnetfeldes, ähnlich wie Zugvögel und viele andere Tierarten.

Foto: Martin Straube

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